It is what it is

Susanne Weber-Lehrfeld – Improvisation ‚It is what it is‘ am 08.05.2022
von Lee Negris

Das Publikum betritt den Saal: die Künstlerin hat bereits ihre Position auf dem Boden eingenommen, ihre Beine sind links und rechts vom am Boden gelegten Oberkörper ausgestreckt. Die Arme zeigen nach vorne und das Gesicht bleibt in dieser Stellung noch verborgen. Durch diese Pose öffnet sie sich dem Publikum gegenüber sowie sich selbst und wendet sich gleichzeitig von diesem ab. An der Wand hinter ihr wird durch den Spiegel im Raum ihre Form und Pose von hinten sichtbar und das Publikum wird optisch in das Geschehen einbezogen. Das bedruckte Banner, aufgespannt zwischen den Balken hinter ihr, greift diesen Aspekt des vermittelten oder filmischen Blicks auf und vervielfacht ihre Erscheinung in Raum. Zu sehen ist das Gesicht der Künstlern in drei verschiedenen Stills / Standbildern und Gesichtsausdrücken aus der frühen Videoarbeit ‚Chère maman’ (2004), in der sie sich mit dem Erbe der Mutter auseinandersetzt. Es eröffnet sich eine Weitsicht auf das Geschehen, die die Spannung zwischen Bewegung und Stille hervorhebt und den Kontrast zwischen dem regungslosen Bild und der Aktion der Künstlerin betont. Die filmischen Bilder sind in der Zeit erstarrt und sie schreitet lebendig im Hier und Jetzt durch die Zeit hindurch. Es entsteht auch eine Kontinuität im eigenen Werk und eine Selbstreferenz, die im Demonstrieren der eigenen Vergangenheit als Mensch und als Künstlerin eine Relation zur eigenen Entwicklung vor der Folie der Familie und Gesellschaft schafft.
Ihre Bewegung beginnt mit dem Einsetzen der unbekannten elektronischen Musik und sie bäumt sich langsam, wie aus einem tiefen Schlaf erwacht, vom Boden auf. Ihre Arme werden zu Flügeln, die sie mit jedem Schlag weiter nach oben befördern. Ihr Gesicht wird sichtbar und das Unheimliche in der Begegnung mit dem anderen Selbst ist ihr ausdrücklich ins Gesicht gemalt. Die Augen sind rot umrandet und opake schwarze Rechtecke zieren wie umgekehrte Röte ihre Wangen. Direkt hinter ihr liegen auf dem Boden in großen roten Buchstaben, die Worte ZÄSUR-ZENSUR. Die plastischen Buchstaben aus Silikon, ursprünglich für eine frühere Performance im Mai 2021 geschaffen, betonen das Konzept des Übergangs von einer Schaffens- und Lebensphase in die nächste, sowie die von innen oder außen kommende Kritik. Diese Spannung äußert sich bereits nach Anfang der Aktion, wo sie mit dem Schamgefühl des Publikums spielt. Das Kostüm, bestehend aus einem kurzen Rock, einem tief ausgeschnittenen Oberteil und einem schwarzen Sakko, sowie einer Spitzenstrumpfhose, berührt auf subtile Weise die Sensibilität des Publikums. Durch die Suggestion ihrer Weiblichkeit wird ein Schwingen in der Erwartung ihres Verhaltens erzeugt.
Auf großen goldenen handbeschriebenen Kartons stehen eigene Aphorismen, die sie im Verlauf der Aktion vorlesen und demonstrativ ins Publikum werfen wird. Ihre Worte und Gedanken werden -wie goldene Regeln für mehr Selbstakzeptanz- sprachlich und gestisch in den Zuschauerraum gefeuert und die Zettel landen vor oder unter den Anwesenden. Die Aktion bekommt eine gewisse bedrohliche Komponente und fordert die Aufmerksamkeit und Bequemlichkeit des Publikums heraus. Der Titel ‚It is what it is’ ist der Ausgangspunkt für ihre Gedanken und damit ein Loslassen der Erwartungen an die Zukunft und der Last des bereits Geschehenen. Weitere Setzungen wie: ‘I am what I am’ oder auch Fragen wie: ‘Glaubst du das?’ zwingen die Zuschauer auch eigene Vorstellungen von Norm und Konvention zu befragen.
Begleitet wird sie vom elektronischen Musikstück mit dem Titel “Unframed”, das eigens für die Performance von Can Fischer arrangiert wurde. Wie auch schon in früheren Aktionen kannte sie die Töne im Vorfeld nicht und nutzt ihr einverleibtes Bewegungsrepertoire authentisch und selbstsicher in dieser Vermittlung ihrer spontanen Absicht. In ihrem Gestus herrscht eine Mehrdeutigkeit zwischen fragil/verletzlich und selbstsicher, fast stolz, jedoch oft von einem suchenden und erkundenden Blick begleitet.

Susanne Weber-Lehrfeld – Performance “It is what it is” on 8 May 2022
by Lee Negris

The audience enters the room. The artist has already assumed her position on the floor in a middle split with her arms pointing forwards; her face remains hidden. With this pose she opens her herself up to the audience and to herself yet also turns away. A mirror behind her allows the audience to view the artist from behind, thus optically drawing them into the spectacle. A printed banner which is mounted between two poles behind her multiplies the artist’s apparition in the room and adds to the impression of a cinematic gaze.  Three stills of the artist’s face and facial expressions are displayed on the banner. They are from a previous work “Chère maman” (2004) which explores her mother’s influence on her. The contrast between the artist’s performance and the stillness of the prints enables the audience to perceive a totality. The cinematic frames are frozen in time yet also evolve in time. A self-referential continuity is created which encompasses her own past as a human being and artist relative to her development against the background of family and society.
As the electronic music, which is unknown to the artist, commences, the artist slowly rises from the floor as if woken from a deep slumber. Her arms turn into wings which propel her upwards with each beat. Her face becomes visible and is haunted by the encounter with her other self. Her eyes are rimmed red and are accentuated by black opaque rectangles drawn on her cheeks. Directly behind her large red letters spell the words ZÄSUR-ZENSUR in German (TURNING POINT-CENSURE). Created for an earlier performance in May 2021, they emphasise the transition from one artistic and social phase to the next as well as external and internal opposition. This tension is evident from the beginning of the performance when the artist toys with the audience’s feelings of shame. Her costume, consisting of a short skirt and tights, a top with a low cleavage and a black jacket, suggests the artist’s femininity and subtly influences the audience’s expectations of how she is going to behave. 
Handwritten aphorisms, displayed on large golden boxes, are read out and lobbed during the performance at members of the audience – like golden rules for more self-acceptance. This action has a threatening quality to it that challenges the audience.  The title “It is what it is” is the artist’s starting point and presents a letting go of the past and future. Other slogans, such as ‘I am what I am’ or ‘Are you sure?’ force the audience to question themselves.
The music is a work titled “Unframed” arranged by Can Fischer especially for this performance. Hearing the music for the first time, the artist uses her training to create an authentic and confident yet spontaneous performance. Her face displays both vulnerability and assurance, bordering on pride, accompanied by a searching, questioning gaze.